Im Rahmen der re:publica 2013 hielt Louisa Heinrich mit Martin Spindler einen Workshop unter dem Titel „Me & my City“ ab. Louisa hatte ich 2012 bei der Next Service Design erlebt, als Sie das Publikum ganz ohne Slides und anderen Firlefanz in wenigen Minuten so in ihren Bann gezogen hatte, dass alle bis zum Schluss ihre Telefone, Tablets und Laptops beiseite legten. Der Vortrag ist hier online konsumierbar. Wer sich einen Live-Vortrag von Louisa Heinrich entgehen lässt, ist ab jetzt also selbst schuld.
Im Workshop am Mittwoch ging es in vier Gruppen à 4-5 Personen darum, einen Aspekt der Lebensqualität in Städten gemeinsam zu identifizieren, um dieses dann mit Attributen zu beschreiben, bzw. zu möglichen Datenquellen zu kommen. Die Zielsetzung war eindeutig nicht auf das „Internet of things“ beschränkt, wir sollten ohne Ansehen der technischen Lösung ansetzen.
Unsere Gruppe bestand aus zwei Münchnern und zwei Hamburgern, als Thema wurde die Wohnraumallokation gewählt, dass heißt die Effizienz der Verteilung von Wohnraum an Bewohner. Ihr könnt raten wer das Thema vorgeschlagen hat.
Unser Ergebnis war ein Vorschlag für eine digitale Karte, die auf der Basis der Daten aus dem Grundbuch (Quadratmeter Wohn/Nutzfläche) im Zusammenhang mit den Meldedaten (Bewohner einer Wohneinheit) anzeigt, wieviel Quadratmeter pro Kopf entfallen. In einer Übersicht ist die ganze Stadt in farbigen Zonen dargestellt. Die Detailansicht geht runter bis zu einem einzelnen Haus und theoretisch auch bis zu einer einzelnen Wohneinheit. Wir haben noch eine Reihe weiterer, meßbarer Kriterien für die Wohnqualität zusammengetragen und auch Datenquellen identifiziert, die Luftqualität, Lärmpegel, Verkehrsanbindung, Angebot und Services in der Nähe etc. umfassen, die auch in weiteren Ebenen in der Karte vorkommen könnten, aber nicht notwendig sind für die Kernidee.
Interessant für die Umsetzung ist dabei der Umstand, dass es zwei negativ belegte Extreme gibt:
- einerseits ineffizient genutzter Wohnraum, in dem wenige Bewohner viel Wohnraum verbrauchen
- andererseits überlasteter Wohnraum in dem viele Bewohner wenig Wohnraum nutzen müssen.
Man hätte also gewissermaßen zwei entgegengesetzte Extreme, die in klassischen Heatmaps beide „Rot“ angezeigt werden müssten. Hierfür bräuchte man noch eine intelligente und leicht lesbare Lösung.
Spannend war auch die Frage einer Teilnehmerin aus einer anderen Gruppe, ob wir denn auch eine Bewertung der individuell empfundenen Wohnqualität durch die Bewohner selbst zulassen würden. Das macht durchaus Sinn, zb. dann wenn besondere Wohnverhältnisse (wie zB. in den Haidhausener Herbergshäusern) an sich ungünstige Werte der Quadratmeter pro Kopf ausgleichen.
Das ganze ist ein Vorschlag, der darauf abzielt mithilfe vorhandener Daten Gegebenheiten sichtbar zu machen und dadurch für Bewegung zu sorgen. Es geht nicht darum den Sozialneid anzuheizen: auch wenn absehbar ist, dass die Luxusviertel ein Extrem darstellen, so wird sich doch mit großer Wahrscheinlichkeit zeigen, dass die große Mehrzahl ineffizient genutzten Wohnraumes in Vierteln mit durchschnittlichen Mieten zu finden sein werden. Wir gingen davon aus, dass sich die Verteilung des Wohnraums initial wie eine Gauss-Kurve darstellen wird, mit dem Höhepunkt bei ca. 38 qm in München. Ideal wäre es den Höhepunkt zu verschieben und die Kurve insgesamt abzuflachen.
Die Visualisierung hätte dann ihren Zweck erfüllt, wenn sie für die Problematik sensiblisiert, Handlungsbedarf ortsbezogen aufzeigt und die gebetsmühlenartige Forderung nach Neubauten im Wohnbereich als einzige ernstzunehmende Maßnahme im Wahlprogramm der wesentlichen Parteien etwas entlastet.
(Hier stünde noch ein Absatz zum Datenschutz, wenn ich glauben würde, dass der nicht nur ein Vorwand ist)
Insgesamt ein schönes Ergebnis für weniger als eine Stunde Brainstorming mit bis dahin komplett Unbekannten. Dafür, unbekannterweise, meinen Dank!