Wege aus der Vertrauenskrise des Internets.

Für Menschen wie mich, die ihre erste E-Mail Adresse in den frühen Neunzigern bekommen haben, war das Internet so etwas wie eine Freiheitsmaschine. Die nächsten zwanzig Jahre vergingen wie im Rausch und das Internet schien wie eine späte Eingebung der Vordenker bürgerlicher Freiheit. Es ist unbestritten, dass das Internet aufgrund seiner Infrastruktur immer schon theoretisch ein feuchter Traum der Geheimdienste war. Nur hielt es unter den Experten kaum jemand für denkbar, dass irgendein Staat sich den „full take“ sicherheitstechnisch und finanziell leisten kann.

Man sollte sich fundamental täuschen.

Nun ist die Frage, ob das Internet als politisch wirksames Medium abgeschrieben werden muss. Die Taschen der staatlichen Institutionen werden im Zweifel immer tiefer sein, als die der vereinzelten Aktivisten. SSL, S/MIME oder auch Tor sind kompromitiert oder unter staatlichem Beschuss, Anbieter halbwegs sicherer E-Mail Dienste werden in die Geschäftaufgabe gedrängt. Auf der anderen Seite bleiben die Reaktionen aus: kein einziger führender Politiker hat von alternativer Infrastruktur gesprochen, noch sind wirtschaftspolitische Fördermaßnahmen durch den Bundestag gegangen. Unsere Repräsentanten wirkten statt dessen seltsam ängstlich und niemand unter ihnen hat ein mutiges Wort zur Verteidigung der informationellen Selbstbestimmung hören lassen.

Das Internet als Mittel für freie und anonyme Meinungsäußerung ist damit Stand heute erledigt. Das war es auch in den Augen von kritischen Beobachtern wie Evgeni Morozow schon lange, aber jetzt gibt es keinen Zweifel mehr. Das wirft eine Unmenge an alten Fragen neu auf, die Alexis de Tocqueville mit dem Satz „Nur Gott kann ohne Gefahr allmächtig sein.“ final zusammen gefasst hat. Was nun?

Kehren wir in die prä-digitale Phase sang- und klanglos zurück was alle politischen Themen anbetrifft und „teilen“ nur noch das „unwesentliche“ im Netz mit? Gibt es überhaupt in der Deduktionsmaschine der Metadaten noch „Unwesentliches“? Lernen wir mit der totalen Überwachung zu leben und finden es einfach OK im Zweifel schuldig zu sein? Dabei inständig hoffend, dass niemals staatliche Willkür im Spiel sein möge?

Tatsache ist, die Überwachungsmaschine lässt sich nicht mehr ausschalten. Zu viel Geld, zu viel Paranoia sind im Spiel.

Entweder das Internet so wie wir es kennen ist endgültig erledigt. Oder es werden JETZT Weichen gestellt für die Dezentralisierung der Angebote und der Infrastruktur. Durch eine intensive und dauerhaft angelegte Wirtschaftsförderung, wie sie zum Beispiel dem Bio-Tech-Sektor oder den alternativen Energien zugute gekommen ist. Und es findet eine konsequente Bereinigung der Infrastruktur statt, die auch die Zugriffsmöglichkeiten der verbündeten Staaten in die Hand rechtsstaatlich legitimierter, verdachtsbasierter Zugriffe legt und konsequent auf solche Szenarien beschränkt. Noch besser: die übernächste Version der Infrastruktur macht die Zuordnung von Datenströmen systematisch zu Nichte.

Von Gerhard von Scharnhorst stammt folgender Satz:

„Ein Volk, dass die Technik höher schätzt als die Tugend ist verloren, selbst wenn es große Siege erringt“

Es wäre großartig, wenn auch unser heutiges politisches Personal dazu gebracht werden könnte die (Abhör-)Technik, auch wenn sie nützlich zu sein scheint, nicht höher als die Grundwerte zu schätzen.

Let’s get the party started!

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