Wie man mit Aluhüten auskommen kann

Aufgrund gewisser, intensiver Erfahrungen bin ich in der glücklichen Lage aus einem über Jahrzehnte aufgebauten Erfahrungsschatz schöpfen zu können, was das Auskommen mit Verschwurblern, Vereinfachern, Verblendeten und Verschwörungstheoretikern anbetrifft.

Hier also vier meiner besten Tipps, um nicht wahnsinnig zu werden.

1. Weise auf die Aggression hin

Die Person, die Schwachsinn verbreitet, wird diesen Schwachsinn selbst nie erkennen können, Dunning-Kruger und so. Es hat also keinen Sinn auf der sachlichen Ebene mit so einer Person zu diskutieren.

Arguing with a fool shows that there are two.

from the “Lykens Register”, Pennsylvania 1896


Was funktionieren kann, ist klar zu machen, dass die Verbreitung von Unsinn sich für Dich wie ein persönlicher Angriff anfühlt. Wichtig ist, den Grund nicht zu vergessen: weil Du ein anderes, sagen wir „traditionelles“ Verständnis von Quellen, Tatsachen, Beweisen, Argumentation und (!) Meinungsbildung hast.

Wenn Du Glück hast, lässt Dein Gegenüber dann ab. Denn im Normalfall will es Dich ja nicht angreifen. Wenn doch, ist es vielleicht an der Zeit sich zu fragen warum. Es hat ganz sicher nichts mit Politik zu tun.

2. Werde Dir über die Motivation klar

Ein Aluhut ist jemand, der sich als machtlos empfindet. Dass die Welt anders tickt als sie es richtig findet, ist ein Beweis dafür dass man sie nicht gefragt hat. Und daher die Falschen an der Macht sind.

Bei älteren Menschen ist es oft eine Vorbereitung auf den Tod. Die Welt wird schlechter, das macht es leichter zu gehen. Und es ist auch eine Rechtfertigung für die Vergangenheit. Viele ältere Menschen leiden unter dem Eindruck, dass die Gegenwart das Paradies der 60er bis 2000er Jahre in Frage stellt. Klimawandel, Ungleichheit, Globalisierung, alles Probleme die unsere (Groß-)Eltern mitverantworten. Da tut es schon gut das Heute zu beschuldigen schlecht zu sein, damit das Gestern unbefleckt bleiben kann.

Die Motivation ändert nichts an dem Stuss den sie verbreiten, aber es macht es leichter zu verzeihen. Es liegt auch eine Menge Wut und Trauer über das nicht gebraucht werden darin und das verdient Mitgefühl.

Allerdings sollte man diesen Verdacht nicht mitteilen, es würde auch wieder nur als aggressiv rüber kommen. Und sei gewiss: die Zweck-Pessimismus-Falle wartet auch auf Dich.

3. No Politics at the Dinner Table

Der gemeine Aluhut ist – freundlich ausgedrückt – ein Quereinsteiger was politische Diskussion anbetrifft. Nur weil er wählen darf, hält er sich für qualifiziert und in der Lage politische Themen zu kommentieren, oder gar zu durchschauen. Das ist ein eher simpler Irrtum, der aber um so schwerer zu entkräften ist. Und er ist auch nicht alleine Schuld: Unsicherheit provoziert Trotzreaktionen.

In einer Situation, in der die Verunsicherung wächst, kommt man nun aber mit relativ einfachen politischen Rezepten durch. 

Prof. Georg Kohler, Interview Cash.ch


Was man tun kann, ist es unseren amerikanischen Freunden nachzumachen und Politik grundsätzlich aus dem privaten Raum zu verbannen. Es kann aus diesen Diskussionen kein Gewinn, aber durchaus einiger Schaden entstehen. Die Forderung aufzustellen, dass Politik (oder das was mancher dafür hält) draußen bleiben muss, ist hingegen akzeptiert. Du solltest die Gelegenheit zur Flucht aus der Abwärtsspirale unwiderlegbarer Irrtümer nützen!

Auch dass diese Mitmenschen am Ende irgendeine merkwürdige Entscheidung an der Wahlurne treffen könnten, kann man durch Diskussionen nicht zuverlässig verhindern. Im Gegenteil: Dein Widerspruch gibt der anonymen Masse der Leute die sich für schlauer halten ein Gesicht! Am Ende wählen Onkel Erich und Tante Erna dann nur wegen Dir AfD. Das will doch auch keiner.

Es bleibt aber die Hoffnung, dass der Aluhut insgeheim dann doch den Status Quo wünscht und braucht. Er wäre sonst ja nichts besonderes mehr.

4. Differenziert Abschreiben

Nur weil jemand partiell ignorant ist, muss er/sie noch kein schlechter Mensch sein! Ich finde, man kann Menschen die von manchem keine Ahnung haben (und auch nicht in der Lage sind dass zu ändern) trotzdem mögen – und sie nur teilweise abschreiben. Es gibt sogar Einige die ich bewundere, nur eben nicht für ihren Durchblick in politischen Themen.

Wenn ich ehrlich bin, gibt es kaum noch ein Handlungsfeld der Politik in dem ich mich selbst so gut auskenne, dass ich darin eine fruchtbare Argumentation formulieren könnte. Dabei versuche ich durchaus mich zu bilden und in das eine oder andere Thema tiefer einzusteigen. Aber auskennen und wirklich mitreden können – Fehlanzeige. Dabei habe ich Politikwissenschaft studiert, lese zusätzlich zur Tagespresse seit 30 Jahren Fachzeitungen der Außenpolitik, habe aber auch im Bereich Umwelt- und Naturschutz gearbeitet und mit Leuten wie Antje Vollmer viele angeregte Diskussionen geführt. Ich müsste also eine gewisse Ahnung haben. Ist aber nicht so.

Das wiederum kann man einem Aluhut durchaus mitteilen: Es ist ok nicht durch zu blicken. Mehr noch, der Kampf gegen die eigene Rechthaberei, in dem auch immer eine Selbstüberschätzung liegt, ist auch eine ehrenwerte Aufgabe!

„Kultur in dem normativen Sinn, an den zu erinnern nötig ist wie nie zuvor, umfasst den Inbegriff von Versuchen, die Masse in uns selber herauszufordern, sich gegen sich selbst zu entscheiden.“

Peter Sloterdijk: Die Verachtung der Massen. Versuch über Kulturkämpfe in der modernen Gesellschaft


Das alles ändert natürlich nichts am hirnschmelzenden Schwachsinnsgrad wie auch der Gefahr der Radikalisierung durch Verschwörung-Content, nur der muss durch Regulierung der Verbreitungswege und Sanktionen gegen die Absender bekämpft werden. Nicht durch den Versuch die Rezipienten invasiv zu erleuchten.

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