Repost: ECM-Astrologie im magischen Quadrant

(Anläßlich einer neuen Ausgabe Des „Magic Quadrants for Web Content Management“ von Gartner, habe ich einen alten Kommentar zur ECM-Ausgabe von 2007 wieder ausgegraben. Nachdem sich methodisch nichts getan hat und inhaltlich auch nicht viel, lerne ich von Gartner und bleibe beim bewährten. Achtung: 5 Jahre alte Links funktionieren nur in Ausnahmefällen.)

Technoide Sternbilder tun sich auf im Wiederschein der Wahrheit. Der “magische Quadrant” von Gartner ist in mehrfacher Hinsicht eine Frage des Glaubens, denn seine Achsen sind wunder-, aber nicht nachmessbar. 

Kürzlich hat Gartner eine neue Auflage des “Magic Quadrant for Enterprise Content Management” veröffentlicht. “Fiat Lux!” ruft der Analyst und erleuchtet den Himmel über der Website, technoide Sternbilder tun sich auf im Wiederschein der Wahrheit. Der “magische Quadrant” ist in mehrfacher Hinsicht eine Frage des Glaubens, denn seine Achsen sind wunder-, aber nicht nachmessbar:

It depicts Gartners analysis of how certain vendors measure against criteria for that marketplace, as defined by Gartner”.

Aha.

Ein wohlbekanntes methodisches Grundproblem liegt in der Auswahl der Anbieter, die die Bewertung der Unternehmen zwangsläufig fragwürdig erscheinen lässt. Zunächst sind hier Unternehmen in einen ECM-Topf geworfen der als Gattungsbegriff aus allen Nähten platzt und der höchst unterschiedlich interpretiert wird. Die “und das machen wir auch noch ein bisschen”-Produkte von IBM und Oracle stehen da neben “und die Kunden kaufen es trotzdem”-Produkten wie MOSS 2007 und einer Reihe alter Recken des WCMS und DMS-Marktes (Day, Vignette, Interwoven bzw. Open Text, EMC). Mit anderen Worten: es gibt hier so viele Sorten Obst wie Anbieter.

Ähnlich folgenlos wie bei Peter Licht gibt es obendrein ein offenes Ende:

Gartner does not endorse any vendor, product or service depicted in the Magic Quadrant, and does not advise technology users to select only those vendors placed in the ‘Leaders’ quadrant. The Magic Quadrant is intended solely as a research tool, and is not meant to be a specific guide to action.

Wenn es sich aber nicht um eine Entscheidungshilfe handelt, worum denn dann? Vielleicht ist es eine wohlmeinende Befreiungsaktion für verwirrte Kunden mit Irrlichtern anstatt von Taschenlampen die ein wenig in den Wald geraten ist? Oder eine Wohlfühlmaßnahme für die Marketingbemühungen der beteiligten Anbieter? Dabei sein ist ja auch hier alles, denn wer nicht anführt, fordert heraus und wer nicht pausenlos erfindet, der reüssiert wenigstens in einer fraglos lukrativen Nische.

Vielleicht geht es aber auch um Erkenntnisgewinn! Also sprach Zarathustra schließlich in einem Buch für alle und Keinen, denn der bescheidene Anspruch der Analysten glänzt zunächst nur schwach in der Frühphase des Relativismus, aber nach dem intensivem Studium darf man hoffen, dass dem Analysten irgendwann eine Meinung entfahren wird. Dagegen spricht leider; dass Gartner sich den Vergleich der diesjährigen Orakelsprüche mit früheren Seancen verbittet:

Gartner advises readers not to compare the placement of vendors from last year to this year

So gut und gründlich Gartners Marktforschung auch sein mag, spätestens bei der Darstellung verpufft ein großer Teil des Erkenntnisgewinns. Das muss nicht sein, wie hier schön demonstriert wird.

So lange aber alles beim alten bleibt, bleibt Gartners ECM-Sternzeichen mit dem Aszendent im Trüben mehr Astrologie als Astronomie. Mit so einer Karte sollte man tunlichst nicht ohne sehr starke Taschenlampe losziehen um dem Content heim zu leuchten.

Da können wir schonmal gemeinsam für den 11. November üben:
“Ich geh mit meiner Laterne und mein Gartner-Abo mit mir. Irgendwo leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir. Das Licht ist aus, wir gehen (trotzdem) voraus. Rabimmel-Rabammel-Rabumm.”

(Ursprünglich erschienen am 17.10.2007 bei IT Frontal)

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